Wiesbaden – Wie wohl fühlen sich Jugendliche und welche Handlungsempfehlungen lassen sich aus den Antworten für die Kommune ableiten? Mit dieser Frage hat sich eine Veranstaltung in der Themenreihe „Bildung schafft Zukunft“ im Rahmen des Programms „Bildung integriert… Wiesbaden“ beschäftigt.
„Die Jugend ist eine Phase des Umbruchs, der Veränderung und Unsicherheit. Das Wohlbefinden hat in dieser Zeit nachhaltigen Einfluss auf die emotionale, kognitive sowie soziale Entwicklung und die späteren Lebenschancen. Fühlen sich Kinder nicht wohl, hat dies Auswirkungen einerseits auf den Lern- und Bildungserfolg, andererseits auch auf andere Lebensbereiche wie Familie, Freizeit und Freundeskreis“, so Sozialdezernent Christoph Manjura bei seiner Einführung in der Aula des Gymnasiums Mosbacher Berg.
Referent des Abends war Jan Schröder, Leiter des kommunalen Bildungsbüros der Stadt Herne. Mit einem in Deutschland bislang einzigartigen Monitoring-Instrument hat die Stadt Herne unter dem Titel „‘Wie geht’s dir?‘ (UWE)“ Umwelt, Wohlbefinden und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen untersucht. Die Studie basiert auf einer Selbsteinschätzung von Jugendlichen der siebten und neunten Klassen. „Schülerinnen und Schüler sind damit keine Blackbox mehr. Wir wissen viel über Leistungsniveaus, aber bisher wenig über das Wohlbefinden“, so Jan Schröder.
Er stellte in seiner Präsentation vor, welche Ressourcen vorhanden sein müssen, damit Kinder und Jugendliche sich wohlfühlen und welchen Einfluss der soziale Kontext wie zum Beispiel das Wohnumfeld auf die Verfügbarkeit dieser stärkenden Faktoren hat. Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen Wohlbefinden einerseits und Ressourcen wie Ernährung und Schlaf, Schulerfahrungen, Beziehungen zu Erwachsenen und Gleichaltrigen sowie Freizeitaktivitäten andererseits. Je mehr dieser Ressourcen vorhanden sind, desto höher ist das Wohlbefinden. UWE ist einerseits ein Partizipationsinstrument, indem es Schülerinnen und Schüler sowie Eltern einbindet. Andererseits dienen die Ergebnisse als Steuerungsinstrument für eine schulinterne Entwicklung und die der kommunalen Bildungslandschaft.
„Die seit Mitte 2018 vorliegenden ersten UWE-Ergebnisse waren der Startpunkt für einen breiten Diskussions- und Beteiligungsprozess. Der Einsatz des stadtweiten Beobachtungsinstruments war und ist immer mit dem Anspruch verbunden, notwendige Konsequenzen daraus abzuleiten. Eine solche Schülerbefragung zum subjektiven Wohlbefinden bietet somit die Gelegenheit, neben der Zusammenarbeit mit den Schulen auch die Kooperation mit Akteuren in den Quartieren zu suchen und weiterzuentwickeln. UWE stellt eine große Chance für die kommunale Präventionspolitik dar: Am Ende liegt allen Beteiligten die Verbesserung der Bildungs- und Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen in Herne am Herzen“, erläutert Jan Schröder den Nutzen des Monitoring-Instruments.
Den Bogen zu Wiesbaden konnte im Anschluss Beate Hock spannen, Leiterin der Abteilung Grundsatz und Planung im Amt für Soziale Arbeit. Die Wiesbadener Jugendstudie ist zwar in der Herangehensweise und der thematischen Ausrichtung anders konzipiert als die Herner UWE-Studie, gleichwohl lässt sie Rückschlüsse auf das Wohlbefinden der Wiesbadener Jugend zu. Ein Drittel der Befragten ist zum Beispiel mit dem Leben insgesamt und den Zukunftsaussichten unzufrieden, 50 Prozent mit dem Schulklima.
„Die Beziehungen zu Erwachsenen scheinen der Knackpunkt zu sein“, weiß Jan Schröder. Die UWE-Studie rückt vor allem die Bedeutung dieser Beziehungen für das Wohlergehen der Jugendlichen und damit – indirekt – für den Bildungserfolg in den Fokus. Nur ein Viertel der Herner Jugendlichen gibt an, Unterstützung durch Erwachsene zu Hause, in der Schule oder Nachbarschaft zu erfahren. In der Wiesbadener Jugendstudie sind es 21 Prozent, die sich bei Sorgen und Problemen an niemanden wenden können.
Zugleich wurde in den vergangenen Jahren die personelle Ausstattung der Schulen mit Lehrkräften, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und sonderpädagogischer Expertise kontinuierlich ausgebaut. Die Profession sei laut Jan Schröder nicht entscheidend – was es brauche seien vielmehr zugewandte erwachsene Personen. Deshalb seien auch organisierte Sport- und Vereinsaktivitäten von Bedeutung, weil auch dort junge Menschen Beziehungen zu Erwachsenen aufbauen könnten.
„Die UWE-Studie aus Herne und die Wiesbadener Jugendstudie haben gemeinsam, dass sie die Kinder und Jugendlichen zu Expertinnen und Experten ihres Lebensumfeldes machen. Die Ergebnisse sind Hinweise an Akteurinnen und Akteure aus dem Bereich der formalen und non-formalen Bildung sowie an politische Entscheidungsträger. Die Kinder und Jugendlichen schreiben uns Themen auf die Agenda, bei denen aus ihrer Sicht Handlungsbedarf besteht. Wir wollen Veranstaltungen wie die heutige nutzen, gemeinsam Gestaltungsräume und Handlungsempfehlungen in den Bereichen Schule, Freizeit und Familie abzuleiten, mit denen wir Wohlbefinden und Resilienz unserer Jugendlichen stärken können“, erläuterte Stadtrat Manjura. Ergebnis der Wiesbadener Jugendstudie sei das Handlungsprogramm „Jugend ermöglichen“. In einer Steuerungsgruppe werde derzeit die Einbettung des Handlungsprogramms in die bevorstehenden Haushaltsberatungen vorbereitet.
Mit der Themenreihe „Bildung schafft Zukunft“ bietet das Amt für Soziale Arbeit drei bis vier Mal im Jahr eine Plattform für verschiedene Fragestellungen aus dem Bildungsbereich an. Sie ist ein Forum, um die vielfältigen Akteurinnen und Akteure der Wiesbadener Bildungslandschaft miteinander zu vernetzen. Die Themenreihe ist ein Projekt im Programm „Bildung integriert… Wiesbaden“. Weitere Informationen zu „Bildung schafft Zukunft“ finden sich auf der städtischen Homepage unter http://www.wiesbaden.de/leben-in-wiesbaden/bildung/bildung-schafft-zukunft/bildung-schafft-zukunft.php, dort werden dann – sobald verfügbar – auch Termin und Thema der nächsten Veranstaltung dieser Reihe veröffentlicht.
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