Wiesbaden – Die CityBahn hat ihre bisher größte Hürde genommen: Am Dienstag, 12. Dezember, stellten Wiesbadens Oberbürgermeister Sven Gerich und sein Amtskollege Michael Ebling aus Mainz die Ergebnisse der standardisierten Bewertung (NKU) sowie eine Vorschlagsvariante zur Linienführung der CityBahn im Rathaus Wiesbaden vor.
Rund 200.000 Menschen erhalten direkten Zugang zur Straßenbahn, ein deutlich positiver Nutzen-Kosten-Quotient von 1,5 macht eine Millionenförderung durch Bund und Länder möglich. Die Trag- und Leistungsfähigkeit der Theodor-Heuss-Brücke wurde bestätigt – somit kann weiter geplant werden. In Wiesbaden wird eine umfassende Bürgerbeteiligung ab sofort starten, in Mainz ist sie für Frühjahr 2018 geplant.
„Eines der größten Probleme unserer Zeit ist der Verkehr in den Städten“, eröffnete Sven Gerich das Gespräch im Wiesbadener Rathaus. Stau, Lärm und eine hohe Luftverschmutzung bedrohten die Lebensqualität der Menschen in den boomenden Landeshauptstädten Wiesbaden und Mainz. Konkrete Klagen gegen die beiden Städte sind bereits vor den Verwaltungsgerichten anhängig. Nun gelte es, die Verkehrs- und Luftreinhaltungsprobleme gemeinsam in den Griff zu bekommen, um Fahrverbote zu verhindern und auch künftig das Grundrecht der Menschen auf Mobilität zu erhalten.
„Die Idee der CityBahn ist es nun, Mainz und Wiesbaden, zwei Städte und zwei Bundesländer, zu verbinden. Wir stärken die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt“, unterstrich der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling. Zur weiteren Entwicklung der Städte und für die Luftreinhaltung sei die CityBahn ein wichtiger Beitrag. Denn die Region wächst. „Wenn wir kein überzeugendes ÖPNV-Konzept vorlegen, werden die steigenden Einwohnerzahlen für noch mehr Autoverkehr und damit auch für mehr Stau, Lärm- und Abgasbelastungen in unseren Straßen sorgen. Wir brauchen die CityBahn unbedingt, wenn wir weiterwachsen und neue Potenziale – auch für die Wirtschaft – erschließen wollen“, so Gerich.
Die Vorplanung für die CityBahn in Wiesbaden ist abgeschlossen. Als wirtschaftlichste Variante konnte jetzt eine Vorschlagslinienführung über Biebrich vorgestellt werden, die in enger Abstimmung mit den Fachämtern entwickelt wurde. Die künftige Linienführung könnte den Planern zufolge vom Kasteler Brückenkopf über Amöneburg und den Biebricher Herzogsplatz über die Biebricher Allee bis zum Hauptbahnhof führen. Vom Hauptbahnhof aus verläuft die Vorschlagslinienführung über die Luisenstraße oder die Rheinstraße bis zur Hochschule RheinMain. Ein zusätzlicher Ast soll künftig vom Hauptbahnhof aus auch den Quartiersboulevard Konradinerallee mit einer hohen Zahl an Arbeitsplätzen anbinden.
Die Vorplanung in Mainz ist in Arbeit und wird im Frühjahr 2018 vorgestellt. Insgesamt erbrachte die Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) für die gesamte Strecke von Bad Schwalbach bis zur Hochschule Mainz auf Basis der offiziell vorliegenden Prognosewerte den hohen NKU-Quotienten von 1,5. Die Untersuchung wurde nach einem standardisierten, vom Bundesverkehrsministerium vorgegebenen Bewertungsverfahren durchgeführt, das Kriterien wie Reisezeiten von ÖPNV-Fahrgästen, weniger Pkw-Fahrten, Klima- und Umweltwirkungen, Verkehrssicherheitsaspekte sowie die Kosten des ÖPNV-Betriebs berücksichtigt und Auskunft über die Wirtschaftlichkeit des untersuchten Vorhabens gibt. „Wie die Ergebnisse belegen, übersteigt der gesamtwirtschaftliche Nutzen der CityBahn deutlich die Kosten des Projekts – und zwar um gut 50 Prozent“, erläuterte Petra Strauß, Bereichsleiterin ÖV-Planung und Bewertung beim beauftragten Verkehrsplanungsunternehmen PTV Transport Consult. Damit ist der Bau der CityBahn förderungsfähig und kann von Land und Bund bezuschusst werden.
Eine besondere Bedeutung im Bewertungsverfahren kam der Theodor-Heuss-Brücke zu. Sie musste zunächst auf Trag- und Leistungsfähigkeit geprüft werden und galt daher als Knackpunkt in der Vorplanung. Statiker und Verkehrsplaner konnten nun grünes Licht geben: Den Untersuchungen zufolge trägt die Brücke die vierspurige Verkehrsführung und die zusätzliche Belastung durch die Straßenbahnen. Einzelne Brückenteile müssen dafür statisch verstärkt werden. Eine Verkehrssimulation gibt darüber hinaus einen Ausblick auf den Verkehrsfluss auf der Brücke bei Nutzung durch die CityBahn: Demnach wird durch eine neue Ampelschaltung erreicht, dass mit Realisierung der CityBahn die Zufahrt der Autos auf die Brücke verbessert wird, bescheinigten die Gutachter.
„Unsere Erfahrungen mit dem Betrieb einer Straßenbahn sind durchweg positiv und haben unsere Erwartungen weit übertroffen“, erklärte der Mainzer Oberbürgermeister. Die im Dezember 2016 in Betrieb genommene Mainzelbahn hat bereits heute die für 2018 prognostizierten Fahrgastzahlen deutlich übertroffen. Die Attraktivität des schienengebundenen Netzes spiegelt sich auch im Mobilitätsmix wider: Mit einem ÖPNV-Anteil von 22 Prozent am gesamten Verkehrsmarkt steht Mainz deutlich besser da als das benachbarte Wiesbaden (16 Prozent). Auch das wirtschaftliche Engagement von Investoren im Gebiet Zollhafen belegt die Attraktivität einer Straßenbahn-Anbindung.
Eine Mitnutzung der vorhandenen Mainzer Infrastruktur durch die CityBahn ist fester Bestandteil der Planung. Da die Mainzer Mobilität Betrieb und Wartung der CityBahn übernehmen soll, muss in Wiesbaden keine eigene Hauptwerkstatt gebaut werden. „Durch die Mitnutzung werden nicht nur Kosten gespart, es entstehen auch zusätzliche, umsteigefreie Verbindungen zwischen Wiesbadener und Mainzer Stadtteilen“, betonte Ebling. Die Vorplanung für den weiteren Linienverlauf der CityBahn in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt ist später als in Wiesbaden gestartet, da hier zunächst die Prüfung der Trag- und Leistungsfähigkeit der Theodor-Heuss-Brücke abgewartet wurde. Erste Planungsergebnisse werden die Planer im Februar 2018 der Stadt Mainz und der Öffentlichkeit präsentieren können.
Mit der Veröffentlichung der NKU-Ergebnisse und der Präsentation der Vorschlagslinienführung fällt jetzt der Startschuss für die Bürgerbeteiligung in Wiesbaden. Über einen Online-Dialog unter www.citybahn-verbindet.de können sich die Bürgerinnen und Bürger vom 13. Dezember 2017 zunächst bis zum 16. Januar 2018 über die Planungsdetails informieren und in den weiteren Prozess direkt einbringen. Die gesammelten Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge werden darüber hinaus ab Januar 2018 auf fünf Infomessen entlang der geplanten Linienführung diskutiert. Vor Ort können sich die Bürgerinnen und Bürger mit Planungsdetails auseinandersetzen sowie mit Planern und den Verantwortlichen der CityBahn darüber diskutieren. „Alle Anregungen aus dem gesamten Beteiligungsverfahren werden ernst genommen und gehen in die weitere Planung ein“, versprach Oberbürgermeister Sven Gerich.
Die überarbeitete Vorschlagslinienführung in Wiesbaden wird im Rahmen einer Akteurskonferenz im Frühjahr 2018 vorgestellt. Nach Beschluss durch die Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung am 21. Dezember 2017 soll das Vorhaben anschließend im Rahmen der Entwurfs- und Genehmigungsplanung detailliert weiter ausgearbeitet werden. Aktuell werden die Investitionen auf Basis der Machbarkeitsstudie für die Gesamtstrecke von Bad Schwalbach bis zur Hochschule Mainz auf mehr als 300 Millionen Euro geschätzt. Der Bund übernimmt dabei jeweils 60 Prozent der Kosten. In Wiesbaden werden das Land Hessen 27,5 und die Stadt 12,5 Prozent tragen. In Rheinland-Pfalz laufen derzeit die Verhandlungen zwischen Stadt und Land.
Schon 2022 soll die hessische Landeshauptstadt die erste Stadt in Deutschland mit emissionsfreiem Öffentlichen Personennahverkehr sein. „Wir wünschen uns eine saubere Stadt mit mehr Lebensqualität. Die CityBahn ist zusammen mit den Elektrobussen das Rückgrat einer modernen Mobilität in Stadt und Region“, so Oberbürgermeister Gerich. „Mit der CityBahn schaffen wir eine neue Lebensader für die Landeshauptstädte. In Zukunft soll sie täglich 98.000 Fahrgäste transportieren, die Verkehrswege in der Innenstadt deutlich entlasten sowie Lärm- und Luftbelastung verringern“, fasste Gerich zusammen.
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