Presseschau – Westfalen-Blatt: Bielefeld (NRW) – Der Schock sitzt tief. Sicher, Flugzeugabstürze gibt es – leider – immer wieder. Aber meist fernab.
Und deshalb meist mit gedämpfter emotionaler Beteiligung, weil eben selten Landsleute zu den Opfern gehören. Nun aber trifft es mitten ins Herz. Es sind Nachbarn unter den Toten. An Bord waren 16 Gymnasiasten aus Haltern in NRW. Und eine der zwei Lehrerinnen kommt aus Brakel im Kreis Höxter. Wer soll da trösten? Was soll da trösten? Wann zuletzt ist einer deutschen Maschine, zumal einem Flugzeug aus der Lufthansa-Familie, dergleichen zugestoßen? Totalverlust, so der terminus technicus.
Auf einer Standardstrecke, wie sie täglich mehrfach im Geschäftsbetrieb geflogen wird. Die Betroffenheit in ganz Europa ist groß. Nicht nur in Spanien und hier in Deutschland, wo die meisten Opfer zu beklagen sind, wo die meisten Hinterbliebenen weinen. Das spanische Königspaar bricht seinen Staatsbesuch in Frankreich ab, reist in Trauer zurück in die Heimat, wie es auch Bundespräsident Joachim Gauck tut, der in Südamerika war.
Die große Zeit der Mutmaßungen, der Spekulationen, hat begonnen: Warum ging der Airbus, kaum dass er die übliche Reiseflughöhe erreicht hatte, in einen achtminütigen Sinkflug ins Verderben? Gab es einen Notruf oder nicht? Hat es etwas mit den Sensoren zu tun, die angeblich bei Vereisung schon des öfteren beim Airbus 320 für Probleme gesorgt, gefährlich falsche Reaktionen im Bordcomputer ausgelöst haben sollen?
Wartungsmängel halten Experten für unwahrscheinlich. Weltweit hat die Lufthansa, und damit auch ihre Tochter Germanwings, in Sachen Sicherheit den besten Ruf. Auch das Alter des Flugzeuges, das immerhin seit 1990 für Lufthansa und später Germanwings im Dienst war, spiele keine Rolle. Technisch, so heißt es, war alles auf dem letzten Stand. Aber welche Ursache hatte dann der Sturz ins Unglück?
Ein terroristischer Anschlag? Für Gewalteinwirkung von außen gab es gestern keine Anzeichen. Auch nicht dafür, dass Terroristen an Bord gewesen sein und den Airbus in den Sinkflug gezwungen haben könnten, bis er an einer Alpenwand zerschellte. Für Europas größte Fluggesellschaft ist der Absturz wohl der schwerste Unfall ihrer Geschichte. In einer Zeit, in der die Lufthansa wegen der Tarifauseinandersetzung mit den Piloten immer wieder durch Streiks und damit verbundene großflächige Flugausfälle von sich reden macht, ist das ein weiterer schwerer Schlag, der schlimmstvorstellbare überhaupt.
Im Moment bleibt nichts, als zu seiner Betroffenheit, ja Schockiertheit, und zu seiner Trauer zu stehen. Wie unsere und Politiker aus aller Welt, die ihr Beileid bekunden. Wie die Vertreter der Kirchen, wie die Verantwortlichen von Lufthansa und Germanwings. Für die Angehörigen der 150 Menschen an Bord wird nach diesem Tag niemals mehr etwas sein wie zuvor.
Welches Ergebnis auch immer am Ende der Ermittlungen zu diesem einfach furchtbaren Unglück stehen wird.
OTS: Westfalen-Blatt